Kapitel II: Warum Notfallvorsorge – Vorsorge ist besser als Nachsorge

Einleitung

Der bekannte Ausspruch „Hätte, hätte, Fahrradkette“ beschreibt das Bedauern, eine Entscheidung, die sich im Nachhinein als falsch erwiesen hat, nicht mehr korrigieren zu können. Er gilt ausdrücklich auch für die Notfallprävention. Personen, die wie Sie und wir den Auftrag haben, Kulturgut zu verwahren, sollten ihn daher besonders beherzigen. Werden unikale Objekte geschädigt, lassen sich Versäumnisse nicht wieder ungeschehen machen. Es liegt daher in unserer Verantwortung, die uns anvertrauten Objekte bestmöglich zu sichern. Dazu gehört ohne Zweifel eine effektive Vorsorge, um Notfälle oder Havarien so weit wie möglich zu vermeiden.
Dabei reicht es nicht aus, sich auf die einmalige Anschaffung von Materialien und Gerätschaften und die Ausstattung von Gebäuden zu beschränken. Das Handeln im Schadensfall muss trainiert, der Umgang z. B. mit Feuerlöschern muss geübt werden. Nur dann ist gewährleistet, dass wir alle im Ernstfall angemessen handeln. Die vorbereitenden Maßnahmen benötigen Zeit, wenn z. B. Notfallpläne erarbeitet oder Kontakte mit der örtlichen Feuerwehr aufgebaut werden müssen. Aber es lohnt sich auf jeden Fall und eine gemeinsame Notfall-Übung kann als Abwechslung im Arbeitsalltag oder als „Teamevent“ gestaltet werden. Bei der Analyse des Gebäudes lernen Sie die „eigene“ Institution auf eine ganz andere Art und Weise kennen. Die Erkenntnisse sind nicht nur für die Notfallprävention oder im Schadensfall nützlich, sondern können generell in der Bestandserhaltung oder der Archiventwicklungsplanung eingesetzt werden.

Dabei dienen drei Leitfragen der Orientierung:

  • Welchen Risiken ist das Kulturgut ausgesetzt?
  • Wie sind diese Risiken einzuschätzen?
  • Wie kann ich diese Risiken minimieren?

In aller Regel wird eine Institution oder sogar eine einzelne Person nicht alle mit diesen Fragen verbundenen Aspekte ausreichend beantworten können. In der Kommunikation mit anderen Stellen wird Ihnen gerade in diesem Kontext immer wieder das sog. Präventionsparadox begegnen. Die Notwendigkeit einer Maßnahme kann oft nur schwer vermittelt werden, solange das Ereignis, das eigentlich verhindert werden soll, noch nicht eingetreten ist. Es ist ja nicht im Voraus beweisbar, dass beantragte Maßnahmen und Mittel jemals wirklich benötigt werden oder in der Höhe angemessen sind. In dieser Situation helfen Ihnen v. a. ein langer Atem und die Suche nach Verbündeten in der eigenen Institution, bei vergleichbaren Einrichtungen oder z. B. bei der Feuerwehr, die mit ähnlichen Vorbehalten zu kämpfen haben. Letzten Endes sind die mit der Prävention verbundenen Kosten für Beschaffungen, Anpassungen des Gebäudes und die personellen Aufwände immer sehr gut eingesetzte Mittel. Sie sind deutlich geringer als die Kosten, die im Schadensfall für Akutmaßnahmen oder Nachsorge anfallen. Hinzu kommt der Imageschaden für Kultur- und Gedächtnisinstitutionen, wenn die uns anvertrauten Objekte vermeidbar gefährdet oder geschädigt werden. Gelingt es, diese Kernbotschaft an Entscheidungsträger*innen zu vermitteln, ist ein wichtiger Schritt getan.